Lieber Oberbürgermeister Peter Feldmann,

liebe Genossinnen und liebe Genossen,

liebe Gäste,

heute haben wir uns hier versammelt, um an die Opfern der Proteste im Gezi Park in Istanbul zu erinnern.

Der Gezi-Park war im Mai 2013 Ausgangspunkt landesweiter Proteste, in denen sich eine allgemeine Unzufriedenheit mit der türkischen Regierung ausdrückte.

Der damalige Ministerpräsident hatte die Istanbuler Stadtverwaltung als eigentlichem Entscheidungsträger übergangen und die Bebauung des Gezi-Parks mit einem Einkaufszentrum beschlossen. Es gabt eine richterlichen Entscheidung, die Bezug nehmend auf die Beschwerde der Architekten-Vereinigung den sofortigen Baustopp verfügte. Der Ministerpräsident missachetete diese richterlichen Entscheidung und bestand auf dieses Bauprojekt.

Am 27. Mai 2013 stellte sich ein Mann einem Bagger entgegen. Einen Tag später begannen weitere Proteste gegen das angekündigte Bauvorhaben, das die endgültige Zerstörung des Parks bedeutet hätte.

Als dieses rechtswidrige Vorhaben des Ministerpräsidenten landesweite Proteste hervorrief, erklärte der Ministerpräsident diese friedliche und verfassungsgemäße Protestbewegung zu einem subversiven Akt gegen die Regierung und seine Person und rechtfertigte damit das gewaltsame Vorgehen der Polizeikräfte gegen die Demonstranten.

In der Folge wurde die Weltöffentlichkeit Zeuge einer beispiellosen Polizeigewalt gegen vor Ort demonstriertende Menschen. Auch Frauen, ältere Menschen und Jugendliche wurden geschlagen und mit Gaspistolen beschossen.

Landesweit nahmen an der Protestbewegung insgesamt 3,6 Millionen Menschen teil.

Die traurige Bilanz der Polizeieinsätze: 4.329 Verletzte und 5.525 inhaftierte Personen.

Neun Jugendliche wurden getötet.

  • In Istanbul: Mehmet Ayvalıtas, Berkin Elvan, Burak Can Karamanoglu

  • In Antakya: Abdullah Cömert, Ahmet Atakan

  • In Ankara: Ethem Sarısülük, Irfan Tuna

  • In Mersin: Mehmet Istif

  • In Eskisehir: Ali Ismail Korkmaz

Eskisehir ist die Partnerstadt von Frankfurt. Ali İsmail Korkmaz nahm an Aktionen der Protestbewegung teil. Er wurde so schwer mit Knüppeln und Fußtritten misshandelt - auch noch, als er bereits am Boden lag -, dass er ca. fünf Wochen später seinen schweren Verletzungen erlag. Todesursache war eine Gehirnblutung. Der brutale Übergriff wurde von verschiedenen Überwachungskameras aufgezeichnet. Eine Aufnahme wurde seitens der Polizei beschlagnahmt und anschließend gelöscht. Laut Expertise derTürkischen Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung”stellte sich heraus, dass die Aufnahme vierfach überspielt wurde.

Der Bürgermeister Yilmaz Büyükersen, ein Sozialdemokrat, hat in Eskisehir zur Erinnerung an Ali Ismail Korkmaz eine Statue für ihn errichtet und ein Park nach ihm benannt.

Großes Aufsehen erregte dabei der Fall des jüngsten Opfers der Polizeigewalt, des 14 jährigen Berkin Elvan. Er war am frühen Morgen des 16. Juni 2013 unterwegs, um Brot zu kaufen. Er wurde in Folge einer Schussverletzung ins Krankenkaus eingeliefert wo er nach neunmonatigem Koma seinen Verletzungen erlag. Die Reaktion des Ministerpräsidenten: Er erklärte diesen jungen Menschen zum Terroristen. Sein Tod führte zu zahlreichen weiteren Aktionen. Mit Gedenkmärschen wollten Demonstranten in türkischen Städten an den Tod des Jungen erinnern. Doch es kam bei diesen Protesten zu erneuter Polizeigewalt. Wie der Fotograf einer Nachrichtenagentur berichtete, setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein.

Abermals wurden zahlreiche Menschen verletzt sowie mehr als 150 Personen festgenommen. Nach Angaben der Anwältin der Hinterbliebenen, Aycan Cicek, stehen die Untersuchungen des Vorfalls still.

Der Umgang des Ministerpräsidenten und der Regierung mit den Gezi-Protesten hat unmissverständlich vor Augen geführt: Die Türkei steuert mit hohem Tempo auf ein antidemokratisches- und autoritäres Regime zu.

Die Regierung versucht innerhalb und außerhalb des Parlaments die Opposition mit aller Macht außer Kraft zu setzen. Die islamistische AKP möchte die Türkei in eine Religionsgesellschaft nach eigenem Verständnis transformieren. Die Lebensweise der Bevölkerung soll nach den regierungseigenen religiösen Vorstellungen umgeformt werden. Damit wird das bestehende Recht und Gesetz mit Füßen getreten.

Die Gezi-Proteste waren die Botschaft einer Jugend an die Weltgesellschaft, dass sie bereit ist, für Umweltschutz, für Demokratie und für eine soziale Gesellschaft ihr Leben zu riskieren.

Mit Büchern gegen gepanzerte Wasserwerfer, mit Musik gegen Tränengas, mit Rosen gegen Geschosse vorzugehen, das waren die Reaktionen jener friedliebenden Jugend, die von ihrem verfassungsgemäßen Recht auf Demonstration Gebrauch machte.

Als Mitglieder des Vereins Türkischer SozialdemokratInnen (TSD) und der Frankfurter SPD wollen wir diesen furchtlosen Protestlern unseren Respekt zollen. Deshalb werden wir in Frankfurt, in der Stadt, in der sich die Wiege der deutschen Demokratie befindet, ein Baum planzen, um diese Opfer im Namen der Demokratie symbolisch zu ehren.

Figen Brandt

Vorsitzende des Vereins Türkischer SozialdemokratInnen

 

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